Christian Bylda und Olaf Daut vom Softwareunternehmen AEB erzählen im Interview, wo die Schwierigkeiten auf dem Weg zur CO2-Neutralität liegen, wie das neue Mobilitätskonzept aussieht und was sie für die Zukunft erwarten.
Herr Bylda, die Ampel-Koalition hat im Zuge der Haushaltsdebatte aktuell eine deutlich höhere CO2-Bepreisung beschlossen als ursprünglich geplant und gleichzeitig den Umweltbonus für Elektroautos gestrichen. Dazu kommen höhere Energiekosten und Strompreise. Wie wirken sich diese sehr kurzfristig verkündeten Beschlüsse auf die Mobilitätsplanungen von Unternehmen wie AEB mit Standorten in ganz Deutschland aus?
Christian Bylda: Also grundsätzlich würden wir uns natürlich verlässliche Leitplanken wünschen, die planbar vorgeben, in welche Richtung es geht. Das schafft die Politik derzeit leider nicht immer so, wie es wünschenswert wäre. Die Unternehmen sind daher mehr denn je gefordert, selber aktiv zu sein, sich etwas einfallen zu lassen und gegebenenfalls auch bei der Finanzierung nachhaltiger Mobilitätsmodelle einzuspringen. Das geht aber natürlich nicht grenzenlos. Ein mittelständisches Unternehmen wie AEB kann nicht allein die „Mobilitätswende im Ländle“ vorantreiben.
Aber immerhin können Sie die Mobilitätswende im Unternehmen vorantreiben, womit Sie sich im Rahmen eines Projekts die vergangenen zwei Jahre beschäftigt haben. Waren Sie erfolgreich?
Christian Bylda: Wir haben zunächst einmal auf jeden Fall sehr viel gelernt! Beispielsweise darüber, wie ein Fußabdruck in den verschiedenen Bereichen überhaupt korrekt ermittelt werden kann, welche Daten benötigt werden und welche Ansätze man als Unternehmen dabei verfolgen kann. Wir haben zum Beispiel einige Zeit mit der so genannten spend-based-Methode experimentiert, bei der über die Ausgaben des Unternehmens auf die verursachten Emissionen und Umweltauswirkungen geschlossen wird. Wir haben aber zunehmend festgestellt, dass diese Vorgehensweise bei der Berechnung des Fußabdrucks für uns als Softwareunternehmen nicht wirklich zielführend ist. Das Ganze ist letztlich eine dynamische Aufgabe, bei deren Bewältigung man ständig dazulernt.
Welches Ziel verfolgen Sie mit dem Projekt?
Christian Bylda: Im Projekt sollte der CO2-Ausstoß des gesamten Unternehmens erfasst und mit Bezug auf das Jahr 2019 deutlich reduziert werden. Das Projektziel hat sich dann weiterentwickelt. Wir haben den Prozess zur regelmäßigen Erfassung des Fußabdrucks etabliert, viel gelernt und sind auf einem guten Weg mit Reduktion und Vermeidung voran zu kommen.
Olaf Daut: Eine wesentliche Erkenntnis ist sicherlich, dass die Mobilität der Beschäftigten der entscheidende Faktor für die CO2-Bilanz des Unternehmens ist. Das ist uns natürlich letztlich schon vorher klargewesen, weil es typisch ist für ein Unternehmen, das Software produziert und über eine Cloud ausliefert. Es liegt unter anderem aber auch daran, dass wir hier am Standort in Stuttgart unseren Sitz in einem sehr nachhaltigen Gebäude haben, das nur wenige Emissionen verursacht. Wir nutzen beispielsweise die Abwärme von den Rechenzentren und temperieren einen großen Sprinklertank. Dadurch können wir diese Energie mittels Wärmetauscher zum Heizen unseres Gebäudes nutzen. Und natürlich haben wir auch eine effiziente PV-Anlage auf dem Dach und im gesamten Gebäude LEDs verbaut, was damals noch nicht Standard war. Und auch in der Kantine steht Nachhaltigkeit ganz weit vorne, insbesondere bei der Beschaffung der meist regionalen Lebensmittel. Bei der Einweihung des Firmensitzes im Jahr 2017, zu der übrigens auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Gast war, hatte das Gebäude die damals bestmögliche Energieeffizienzklasse. Daher bleibt als großes „Einsparpotenzial“ also insbesondere die Mobilität unserer Beschäftigten.
Wie kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denn zur Arbeit?
Olaf Daut: Hier in Stuttgart kommen ohnehin viele unserer rund ca. 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Öffentlichen zur Arbeit, das haben wir bei einer Befragung erhoben. Zudem machen wir unseren Beschäftigten auch keine Präsenzvorgaben. Das heißt, dass grundsätzlich jeder auch im Homeoffice arbeiten kann, was natürlich gut ist für unsere Mobilitätsbilanz. Diese Möglichkeit gibt es bei uns übrigens schon seit über 15 Jahren und nicht erst seit der Corona-Pandemie, das verstehen wir als eine Selbstverständlichkeit.
Christian Bylda: Auffallend viele Beschäftigte kommen auch mit dem Fahrrad, selbst im Winter stehen bei uns jeden Tag mindestens 30 Räder in der Garage. Anfangs dachten wir, dass wir zu viele Radabstellpätze haben. Tatsächlich sind die Plätze aber oft voll belegt.
Steht Ihr Fahrrad auch dort?
Christian Bylda: Das tut es – und zwar jeden Mittwoch. Das ist mein wöchentlicher Fahrradtag. Ich wohne in Ludwigsburg und brauche mit dem Rad etwa anderthalb Stunden. Meist mache ich an diesen Tagen morgens Homeoffice, bis man um 9 Uhr das Rad mit in die S-Bahn nehmen darf. Zurück radle ich dann und wenn ich zuhause ankomme, habe ich meine Sporteinheit bereits hinter mir. Wunderbar. An allen anderen Arbeitstagen nutze ich den ÖPNV.
Vorbildlich. Fördert AEB dann auch das Fahrrad?
Olaf Daut: Wir bieten unseren Beschäftigten natürlich auch ein Firmenradleasing an, genauso wie wir auch das Deutschlandticket bezuschussen und Angebote für Dienstwagen machen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen grundsätzlich selber entscheiden können, was für sie die beste Wahl ist und am besten zur persönlichen Lebenssituation oder auch zur jeweiligen Jahreszeit passt. Dazu kommt, dass wir alleine in Deutschland acht Standorte mit ganz unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Raumstrukturen haben, von der Innenstadtlage mit bester Anbindung bis hin zu ländlich geprägten Strukturen.
Wäre es mit Blick auf den Fußabdruck nicht zielführender, beispielsweise mehr Anreize für die Nutzung des ÖPNV zu setzen, um Beschäftigte zum Umstieg zu bewegen?
Christian Bylda: Es ist uns wichtig, die persönliche Haltung und Lebenssituation jedes Einzelnen zu respektieren. Nachhaltige Verhaltensänderungen kommen aus innerer Überzeugung. Wir wollten im Projekt zu einem „hin zu mehr nachhaltiger Mobilität“ motivieren und nicht auf externe Anreize setzen.
Mit Blick auf unsere Projektziele hat es uns bildlich gesprochen natürlich mitunter in den Fingern gejuckt, nach einer Richtlinie zu rufen, um schnelle Veränderungen zu bewirken. So eine Anordnung wäre aber unrealistisch und nicht mit unserer Unternehmensphilosophie vereinbart. In diesem Spannungsfeld haben wir uns als Projektteam, das die Nachhaltigkeit im Unternehmen vorantreiben will, aber bewegt.
Olaf Daut: Die Bereitschaft, in Sachen Mobilität umzudenken, muss von jedem selber kommen. Wir können nur versuchen, diesen Prozess zu beschleunigen, indem wir Informationen bereitstellen, Angebote machen und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei allem unterstützen. Die innere Überzeugung ist deshalb wichtig, weil ein Umstieg nur dann wirklich nachhaltig ist, wenn man das selber will und sich aus freien Stücken dafür entscheidet. Aus diesem Grund wollen wir für 2024 auch ein Mobilitätskonzept einführen, über das flexibel jede Art von betrieblicher Mobilität mit einem fixen Betrag unterstützt wird, sofern sie nachhaltig ist. Vom Firmenrad bis zum Jobticket oder einem E-Scooter.
Oder einen PS-starken V8-SUV?
Olaf Daut: Wenn er von einem Elektromotor angetrieben wird – jederzeit! Aber Spaß beiseite. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, spätestens ab dem Jahr 2027 Dienstwagen mit klassischen Verbrennermotoren abzuschaffen. Das haben wir so auch in unserem Mobilitätskonzept verankert, das wir aktuell auf Basis der Erkenntnisse aus der Projektarbeit der vergangenen Jahre entwickelt haben.
Wie wollen Sie das konkret umsetzen?
Olaf Daut: Das Mobilitätskonzept sieht eine klare Unterscheidung zwischen Verbrenner, Hybrid oder rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen vor. Je nach Modell müssen sich die Mitarbeiter:innen mit einem unterschiedlichen Prozentsatz am Bruttolistenpreis beteiligen. Am teuersten wird dann der Verbrenner sein, am günstigsten das E-Fahrzeug. Dazu kommt, dass begleitend keine Tankkarten mehr ausgegeben werden, nur noch Ladekarten für Hybrid- und E-Fahrzeuge. Das bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Verbrenner als Dienstwagen ihre Privatfahrten künftig aus eigener Tasche bezahlen müssen. Das ist die Regelung für die Übergangsphase in den nächsten Jahren. Ab 2027 genehmigen wir dann voraussichtlich als Dienstwagen gar keine Verbrenner mehr. Die klare Botschaft ist, dass wir weg wollen von dieser konventionellen Technologie und dem fossilen Verbrauch.
Bis zur nächsten kurzfristigen Ansage der Politik….
Olaf Daut: Das Umfeld, in dem wir uns bewegen, ist ohnehin sehr dynamisch. So müssen wir berücksichtigen, dass Ladeinfrastruktur an unseren Standorten vorhanden ist und durch den Wegfall der Förderungen die Kosten der Elektromobilität steigen. Aus diesem Grund haben wir auch hinterlegt, unser Konzept jedes Jahr neu auf den Prüfstand zu stellen und zu hinterfragen. Aktuell ist beispielsweise das Interesse nach E-Fahrzeugen stark gestiegen. Weil die Autos im Vergleich noch wesentlich teurer sind, schlägt sich dieses Interesse aber auch in der Leasingrate nieder. Bei einem Fuhrpark mit über hundert Autos kommt da einiges mehr an Kosten auf ein Unternehmen zu. All diese Faktoren muss man ständig neu bewerten und berücksichtigen.
Christian Bylda: Der Schwerpunkt in unserem neuen Mobilitätskonzept liegt übrigens auf der öffentlichen Mobilität, nicht im Bereich der Dienstwagen. Also bei Zuschüssen für die Bahncard beispielsweise oder der Förderung des Nahverkehrs, die wir nochmals ausgeweitet haben. AEB zahlt seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dabei 80 Prozent der Kosten für das Deutschlandticket – in der Hoffnung, dass es dieses Angebot auch weiterhin zum bisherigen Preis geben wird. Die 20 Prozent Selbstbeteiligung sehen wir auch als Anreiz, das Ticket dann tatsächlich zu nutzen.
Wie kommen die Pläne bei der Belegschaft an?
Olaf Daut: Das Thema ist für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht neu. Wir haben schon im Jahr 2016 ein Energieaudit durchgeführt und Daten gesammelt, etwa zum Fuhrpark, um einen ersten Fußabdruck zu ermitteln. Nachhaltigkeit war immer schon ein wichtiges Thema für AEB und gehört daher auch zu den vier strategischen Handlungsfeldern des Unternehmens. Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Verantwortung an, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in den Fokus unseres Handelns zu nehmen. Die Haltung prägt den Spirit des Unternehmens und wird auch von unserer Belegschaft getragen und gelebt. Insofern fallen unsere Bemühungen auf fruchtbaren Boden, weil viele unserer Beschäftigten ebenfalls ihren Beitrag zur Mobilitätswende und dem Klimaschutz leisten wollen.
Christian Bylda: In der Endphase des Projekts haben wir einen „Mobility Month“ veranstaltet und unter anderem Pendlerfrühstücke, einen Radcheck und Workshops zu verschiedenen Themen angeboten. Eine Aktion war, vier attraktive Parkplätze direkt am Aufzug für Fahrgemeinschaften zu reservieren, als Wertschätzung und Benefit für all jene, die sich auf so eine Gemeinschaft einlassen. Die Angebote sind alle sehr gut angenommen worden und die grundsätzliche Veränderungsbereitschaft war überall spürbar. Änderungen der langjährigen Verhaltensroutinen fallen aber niemand leicht. Auch in dieser Hinsicht bleiben wir als Unternehmen gefordert, blicken aber optimistisch in unsere mobile Zukunft!
Zur PERSON
Christian Bylda ist Diplom Agraringenieur und kam 2002 zur AEB. Nachhaltiges Wirtschaften interessiert ihn schon seit langem. In der AEB hat er deshalb die Projektleitung zur Reduktion des Fußabdrucks übernommen. Privat ist er gern per Rad unterwegs. Trotz zweier Enkel immer noch ohne E-Antrieb.
Olaf Daut ist Datentechniker und seit 1998 bei der AEB. Seit nunmehr 13 Jahren verantwortet er den Fuhrpark. Mit großer Leidenschaft für Mobilität hat er gerne die Aufgabe übernommen den Fuhrpark der AEB mit seinen über 110 Fahrzeugen auf Elektromobilität auszurichten.
Das Interview führten Alexandra Bading (Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH) und Markus Heffner (Journalist und Redaktionsbüro) im Dezember 2023.