„Mobilität muss als Gesamtsystem gedacht werden!“

Im Gespräch mit Markus Schmidt und Fabian Gierl von Drees & Sommer in Stuttgart.

Markus Schmidt und Fabian Gierl beraten bei Drees & Sommer Unternehmen und Kommunen in Sachen nachhaltige Mobilität.

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Markus Schmidt und Fabian Gierl über ganzheitliche Konzepte, den Ansatz der Selbsterprobung und eine stark individualisierte Zukunft, die vielseitige Mobilitätsangebote braucht.

Herr Schmidt, der Begriff Nachhaltigkeit ist das Modewort der Gegenwart. Alles und jeder, so kommt es einem vor, ist nachhaltig. Drees & Sommer auch?

Markus Schmidt: Tatsächlich ist nachhaltiges Denken und Handeln seit jeher in der DNA von Drees & Sommer verankert, nicht erst seit der Klimadebatte und der zunehmenden Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Transformation. Das Unternehmen ist nicht umsonst eines der Gründungsmitglieder der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – und die gibt es ja schon eine ganze Weile. Wir haben uns immer schon in allen Bereichen um Nachhaltigkeit bemüht und tun das in diesen Zeiten natürlich umso mehr.

Fabian Gierl: Über allem steht bei uns dabei der Begriff „Beneficial Company“, also ein ganz konkretes Ziel, das wir erreichen wollen. Einfach erklärt bedeutet das, dass wir der Umwelt und auch der Gesellschaft letztlich mehr zurückgeben wollen, als wir von ihr durch unsere unternehmerische Arbeit verbrauchen. Um das zu erreichen, braucht es ein ganzheitliches Konzept, eine Strategie, die aus einer Vielzahl von einzelnen Maßnahmen besteht.   

Was bedeutet das konkret?

Fabian Gierl: Kurz gesagt: Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung gehören für eine Beneficial Company untrennbar zusammen. Das ist, wenn Sie so wollen, der Dreiklang der Nachhaltigkeit, an dem wir uns orientieren. Ein Schwerpunkt liegt natürlich auf der Vermeidung von CO2. Da wir kein produzierendes Unternehmen sind, entsteht der Ausstoß insbesondere durch die Mobilität unserer Beschäftigten. Dieser Bereich macht fast 90 Prozent des Gesamtvolumens aus und ist daher ein großer Hebel, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Nachhaltig zu sein bedeutet für uns aber viel mehr, als CO2 ein-zusparen und unsere Ökobilanz zu verbessern. Gleichermaßen wichtig sind auch die ökonomischen und sozialen Dimensionen, weil alles eng zusammenhängt. Eine Maßnahme muss effizient sein, also wirtschaftlich. Mit dem Fahrrad zur Arbeit von Stuttgart nach Berlin zu fahren, wäre das nicht. Und dann wollen wir natürlich, dass sich die Beschäftigten wohl fühlen, dass sie gesund und motiviert sind. Sie sind schließlich das wertvollste Gut eines Unternehmens. Alle Maßnahmen müssen daher auch unter dem Aspekt der Mitarbeitendenzufriedenheit bewertet werden.

Wie wollen Sie das erreichen?

Markus Schmidt: Wir setzen auf Angebote statt auf Verbote. Jede:r soll selber entscheiden können, was für sie bzw. ihn das Richtige ist, womit er oder sie sich wohl fühlt und was am besten zur individuellen Situation und den persönlichen Lebensumständen passt. Beispielsweise gibt es das Angebot, bei Verzicht auf einen Firmenwagen die Leasingrate ausbezahlt oder eine andere Kompensation wie etwa eine Bahncard 100 zu bekommen. Seither konnte ein Viertel aller Firmenwagen eingespart werden – und das über alle Gehalts-klassen hinweg. Für einen Bauleiter, der jeden Tag Termine vor Ort hat, wäre das natürlich keine Option, der braucht einen Dienstwagen. Es ist daher elementar, die unterschiedlichsten Bedürfnisse im Blick zu haben. Daher braucht es eine große Vielfalt an Möglichkeiten und Angeboten.

Drees & Sommer berät Unternehmen, Kommunen und Regionen seit einiger Zeit auch im Bereich Mobilität. Für einen Projektsteuerer im Bau- und Immobiliensektor eher ungewöhnlich. Wie kam es dazu, warum beschäftigt sich das Unternehmen mit solchen Themen?

Markus Schmidt: In den vergangenen Jahren hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass wir das Thema Mobilität ganzheitlich denken müssen. Angefangen bei den Menschen und ihrem Wohnort über das Quartier, ihren Arbeitsplatz, die Betriebe, die Stadt bis zur Metropolregion. Wir müssen also das gesamte Umfeld betrachten. Nur wenn wir das komplexe Zusammenspiel analysieren, können wir eine neue und nachhaltige Mobilität entwickeln, die funktioniert und angenommen wird. Ich selber komme aus dem Infrastruktur-management und unterrichte an der Hochschule für Technik auch auf diesem Feld. Aus dieser Erkenntnis heraus haben wir den Bereich Mobilitätsberatung gegründet. Zwischenzeitlich haben wir einen großen Fundus an Erfahrungen und einen ganzen Baukasten an erprobten Möglichkeiten, die wir in unsere Beratungen einbringen können.

Fabian Gierl: Als ich vor bald acht Jahren bei Drees & Sommer begonnen habe, war ich eine Art Sonderling. Ich habe Geographie studiert, dazu einen Master in Stadtplanung gemacht. Das ermöglicht einen etwas anderen Blick auf die Branche, weil auch Disziplinen wie Klimatologie oder Sozialwissenschaften eine Rolle spielen. Je ganzheitlicher ein Sachverhalt betrachtet und analysiert wird, desto zielgerichteter können Konzepte entwickelt werden. Und jedes gute Konzept beginnt mit einer Analyse. Wir kommen gleichzeitig aber auch aus der Umsetzung und ich denke, dass uns dabei ein besonderer Spirit auszeichnet, eine Art anders zu denken, die uns als Unternehmen ausmacht. Zu unserer Philosophie gehört es, dass wir die Konzepte und Maßnahmen erst einmal bei uns selbst erproben, bevor wir damit in die Beratung gehen. Das war von Anfang an unser Ansatz in der Mobilitätsberatung.

Was war die erste Maßnahme zur Verbesserung der betrieblichen Mobilität, die erprobt wurde?  

Fabian Gierl: Zum Auftakt unseres betrieblichen Mobilitätskonzepts im Jahr 2016 haben wir gleich ein ganz konkretes Thema angegangen, einen firmeneigenen Shuttlebus. Auslöser dafür war, dass wir zu wenige Parkplätze hatten und viele mit der Situation unzufrieden waren. Wir hatten zunächst eine Analyse durchgeführt, wie die rund tausend Beschäftigte an den Standort Waldplätze in Vaihingen kommen. Viele pendeln aus dem südlichen Teil der Region, also aus der Stadt Stuttgart selber, aus Böblingen, Sindelfingen oder Leinfelden-Echterdingen. Von dort gibt es eigentlich überall eine gute Anbindung per ÖPNV an den Bahnhof Vaihingen, der ein gut ausgebauter Verkehrsknoten ist. Das Problem dabei war aber der Bus zu unserem Standort an den Waldplätzen, der nur im Halbstundentakt fuhr und nicht gut abgestimmt auf den Fahrplan war. Bedeutet: die Beschäftigten mussten regelmäßig eine halbe Stunde warten – und das bei jedem Wetter. Wir haben daher selber einen Shuttle finanziert, der auch im Halbstundentakt gefahren ist – genau zwischen den Fahrzeiten der SSB. Damit konnten wir die maximale Wartezeit immerhin auf eine Viertelstunde halbieren. Das hat uns über 250 Prozent Zuwachs an ÖPNV-Nutzern gebracht.

Ein schöner Erfolg, der aber teuer erkauft wurde – oder?

Markus Schmidt: Ein solcher Shuttlebus ist ein großer Kostenfaktor für ein Unternehmen.  Grundsätzlich ist es auch nicht wirtschaftlich und ökologisch, wenn jedes Unternehmen seinen eigenen Shuttle fahren lässt. Es ist ja die Aufgabe der Kommune einen funktionierenden ÖPNV anzubieten. Unser Standort ist für eine hohe Taktung aber nicht so attraktiv mit seiner Randlage. Doch für ein Unternehmen ist die Erreichbarkeit von zentraler Bedeutung. Dabei war uns unter anderem aufgefallen, dass wir am Standort Waldplätze zu dem Zeitpunkt gerade von jungen Menschen weniger Bewerbungen erhalten haben wie etwa am Standort direkt am Vaihinger Bahnhof. All das hat uns dazu bewogen, es mit einem eigenen Shuttle zu probieren. Ohne zu wissen, ob er auch entsprechend genutzt wird. Wir haben daher immer wieder einmal Brezeln oder Müsliriegel morgens im Bus verteilt, im Winter gab es an der Haltestelle am Abend mitunter einen Glühwein. Diese kleinen Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich unter den Nutzenden des Shuttles eine richtige Community gebildet hat. Anfangs hatten wir noch einen kleinen Bus im Einsatz, nach kurzer Zeit mussten wir auf einen großen Reisebus umsteigen. Die Nachfrage wurde immer größer und plötzlich wollten auch benachbarte Unternehmen hier am Standort aufspringen.

Und fährt der Bus noch?

Markus Schmidt: Wir haben den kostenlosen Shuttlebus über fünf Jahre selber betrieben, dann wurde für den regulären Linienbus der 15-Minuten-Takt eingeführt. Damit hatte sich unser Angebot erübrigt. Die SSB hatte gesehen, dass die Nachfrage nach ÖPNV gegeben ist und als zuständiger Nahverkehrsanbieter mit der dichteren Taktung reagiert. Das Beispiel zeigt, dass man etwas bewegen kann, wenn man mutig genug ist, es zu probieren. Dabei müssen wir uns aber klarmachen, dass Mobilität kein klassisches Geschäftsmodell ist, mit dem sich solitär Geld verdienen lässt. Mobilität erzeugt Kosten, ist aber notwendig, damit der Rest funktioniert.

Fabian Gierl: Oder anders ausgedrückt: Mit Mobilität kann man als Unternehmen kein Geld verdienen – aber Kosten einsparen. Wir haben beispielsweise ein Unternehmen beraten, das die Wahl hatte, eine freie Fläche für eine weitere Produktionshalle oder für Mitarbeiter:innen-Parkplätze zu nutzen. Bei einem solchen Parkplatzprojekt kann man schnell im Millionenbereich landen, im Vergleich dazu ist ein Shuttlebus dann plötzlich wieder günstiger, nachhaltiger sowieso. Vor allem dann, wenn die Fläche anders genutzt und damit Geld verdient werden kann. Auch dieses Beispiel zeigt, dass wir Mobilität ganzheitlich denken müssen.

Markus Schmidt: Und dazu braucht es vielfältige Mobilitätsmodule, die flexibel einsetzbar sind und alle Belange berücksichtigen. Wir haben seit dem Startschuss 2016 regelmäßig neue Bausteine für unser Gesamtkonzept erprobt und eingeführt. Jetzt haben wir ein rundum funktionierendes betriebliches Mobilitätsmanagement, das aus vielen, vielen Einzelmaßnahmen besteht. Jede Maßnahme für sich ist vielleicht gar nichts Besonderes. Wenn wir das Mobilitätskonzept aber als Ganzes vorstellen, erfahren wir dabei immer wieder, dass diese Vielfalt durchaus beeindruckt.

Beeindrucken Sie uns mit einem weiteren Beispiel der Selbsterprobung.

Fabian Gierl: Mit dem Shuttlebus hatten wir ein Standortkonzept verfolgt, also eine Maßnahme, die speziell für den Standort Waldplätze in Vaihingen konzipiert war. Vor zwei Jahren haben wir einen anderen Ansatz entwickelt, eine bundesweite Betrachtung für alle Standorte. Die Idee dabei ist, auf übergeordneter Ebene etwas zu entwickeln und es dann zur Einzelumsetzung zu den jeweiligen Standorten zurückzuführen. Eines der Themen aus diesem Ansatz ist unser Vorhaben, dass wir bis 2029 eine vollständig emissionsfreie Fuhrparkflotte betreiben wollen. Sprich: Spätestens ab 2025 werden keine Fahrzeuge mit Verbrennermotor mehr bestellt. Ein Baustein dafür ist hier an den Waldplätzen eine komplett elektrifizierte Tiefgarage, insgesamt geht es dabei um 50 Ladepunkte. Damit sind wir beim Thema Lastmanagement, das unserer Ansicht nach flexibler im Sinne von bedarfsgerechter aufgestellt werden muss als bisher üblich. Wenn alle Fahrzeuge bis zum Mittag aufgeladen werden, führt das zu einem Peak am Vormittag. Danach kann etwa der Strom aus unserer PV-Anlage nur noch in das Stromnetz eingespeist werden und das ….

…. ist natürlich nicht effizient.

Fabian Gierl: Genau. Der Strom, der hier im Gebäude produziert wird, soll hier natürlich auch möglichst effizient genutzt werden. Und das gelingt nicht, wenn alle Fahrzeuge am Vormittag gleichzeitig geladen werden und wir deshalb eine Lastspitze haben, wenn alle zur Arbeit kommen. Um eine intelligentere Lösung zu finden, haben wir mit der Uni Stuttgart und einem regionalen Start-up ein Forschungsprojekt aufgelegt, das vom Verkehrsministerium des Landes gefördert wurde. Es geht dabei um so genanntes nutzerorientiertes Laden. Herzstück ist eine App, über die jede:r Beschäftigte angeben kann, wie viel Strom er oder sie braucht und wann er/sie wieder los muss. Auf Basis dieser Datenlage kann sich das System dann selber einteilen, wann welches Auto geladen wird. Dadurch werden die Ladevorgänge viel gleichmäßiger über den gesamten Tag verteilt als mit der herkömmlichen Methode.

Markus Schmidt: Wichtig dabei ist, dass sämtliche einzelne Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden. Das waren nur zwei Beispiele, in Summe gehören 30, 40 Punkte zum Mobilitätskonzept. Eine Einzel-betrachtung wäre dabei nur wenig aufschlussreich. Beispielsweise könnte man sagen, dass unsere Pool-fahrzeuge, die sich jeder ausleihen kann, unnötige Kosten verursachen. Andererseits wäre die Nachfrage nach einem Firmenwagen garantiert höher, wenn wir diese Flotte nicht hätten. Und der Anteil an ÖPNV-Nutzenden sicher geringer. Wenn wir unsere Beschäftigten auffordern mit dem öffentlichen Nahverkehr zu kommen, müssen wir ihnen im Gegenzug ermöglichen, trotzdem effizient zu einem Kunden zu kommen. Dafür haben wir unsere Poolwagenflotte. Die einzelnen Komponenten müssen also aufeinander abgestimmt sein, damit die Vielfalt auch in sich stimmig ist. Übrigens können unsere Beschäftigten die Poolfahrzeuge am Wochenende für eine kleine Gebühr zur privaten Nutzung mitnehmen. Die Idee dabei ist, dass manche:r dann vielleicht gar kein privates Auto mehr benötigt. Es ist ja effizient und wirtschaftlich ein Fahrzeug maximal auszulasten, so funktioniert auch Carsharing. Im Ergebnis führt dieses Model vielleicht zu weniger privaten Fahrzeugen, die ja eigentlich Stehzeuge sind, weil sie zu 95 Prozent nicht genutzt werden.

Auf welchen Weg kommen die Beschäftigten denn überwiegend zur Arbeit?

Fabian Gierl: Bei unserer ersten Erhebung im Jahr 2016 hatten wir eine Quote von annähernd 70 Prozent an Beschäftigten, die mit dem Auto zur Arbeit gefahren sind. Von diesen Zahlen sind wir inzwischen weit entfernt. Gleichzeitig ist der Elektrifizierungsanteil bei denjenigen gestiegen, die immer noch mit dem Auto kommen. Angebote wie etwa das Jobticket haben einige Wirkung erzielt, zwischenzeitlich bekommt jede:r Beschäftigte ohne Dienstwagen ein Deutschlandticket bezahlt. Gute Erfahrungen haben wir auch mit dem Jobrad gemacht, das wir zunächst auf herkömmliche Weise eingeführt hatten. Dann hatten wir überlegt, dass ein solches E-Bike ja eigentlich überwiegend in der Freizeit genutzt wird. Aber was, wenn der Partner oder die Partnerin kein E-Bike hat? Ein solches Angebot soll ja kein Hemmnis sein, sondern etwas bewegen. Also können sich unsere Beschäftigten zwischenzeitlich bei Bedarf für ein zweites Jobrad entscheiden, ein Partnerrad gewissermaßen. Das kostet das Unternehmen nicht so viel, hat aber spürbare Effekte. Denn wer in seiner Freizeit viel mit dem Rad unterwegs ist, nutzt es eher auch für den Weg zur Arbeit.

Wobei speziell in Stuttgart Radfahren meist eine eher unerfreuliche Angelegenheit ist. Wie sehen Sie die Region Stuttgart aufgestellt in Sachen Mobilität?

Markus Schmidt: Stuttgart ist eben als autogerechte Stadt gestaltet worden und es gibt insgesamt sicher einen großen Bedarf, Mobilitätsangebote zu ändern. Es tut sich andererseits aber auch sehr viel, an einigen Projekten sind wir selbst beteiligt. Ganz oben auf der Agenda steht dabei die Radinfrastruktur, die zweifellos noch aus- und aufgebaut werden muss. Um das zu unterstützen, koordinieren wir im Rahmen eines Projekts die verschiedensten beteiligten Ämter der Stadtverwaltung. Die große Herausforderung dabei ist, alles zügig abzuarbeiten – von der konzeptionellen Gestaltung bis zur Umsetzung.

Fabian Gierl: Wichtig ist es dabei auch, ein neues und stimmiges Gesamtbild zu schaffen, ganzheitlich zu denken. Das Gegenteil davon war etwa vor der Einführung des RegioRads der Fall, bei dem gefühlt jede Kommune ihr eigenes System hatte. Mobilität muss einheitlich sein und zusammengeführt werden. Und es braucht Mut seitens der Politik, Dinge pragmatisch umzusetzen. Man kann eben meistens keine ordentlichen Radwege einführen, ohne den Autofahrern eine Spur wegzunehmen. Der Platz ist in jeder Stadt begrenzt, dennoch gibt es immer einen Weg. In Kopenhagen werden beispielsweise bei den S-Bahnen in den Stoßzeiten zusätzliche Waggons für Fahrräder angehängt, die kostenlos transportiert werden. In Stuttgart darf man während der Hauptverkehrszeiten mit einem Fahrrad gar nicht erst in die Stadtbahn einsteigen. Das zeigt die unterschiedliche Denkweise, die eben entscheidend ist, wenn sich etwas ändern soll.

Markus Schmidt: Auch Paris hat ja vorgeführt, dass in einer großen Metropole eine Verkehrswende durchaus möglich ist, wenn sie ohne Kompromisse und konsequent verfolgt wird. Die Stadt wird seit rund zehn Jahren erfolgreich zur klimafreundlichen Weltmetropole umgebaut – anfangs gegen erbitterte Widerstände insbesondere der Autolobby, zwischenzeitlich mit breiter Unterstützung der Menschen. Genau das macht den Unterschied: Die Möglichkeit, neue Wege der Mobilität im Alltag erleben zu können. Dann kann jede:r selber entscheiden, ob er oder sie es gut findet oder nicht. In Paris ist die Entscheidung darüber gefallen. Denn trotz aller vermeintlich unpopulären Maßnahmen und der teilweisen Verbannung des Autoverkehrs wurde die dafür verantwortliche Bürgermeisterin wiedergewählt.

Zur PERSON

Fabian Gierl, Leading Consultant Mobilität, nachhaltige Quartiere & Städtebau bei Drees & Sommer

„Mit der Mobilität werden wichtige Weichen für den Städtebau, unsere Aufenthaltsqualität sowie in den Themen der Nachhaltigkeit gelegt. Entsprechend engagiert setze ich mich für gute Lösungen in diesem Bereich ein, um eine optimale Grundlage für weitere Entwicklungen zu schaffen.“

Fabian Gierl studierte an der Universität Bayreuth Geographie mit einem Schwerpunkt im Bereich der Stadt- und Regionalforschung im Master. Während er im Zuge seiner Bachelorarbeit Entwicklungsstrategien des Einzelhandels in Schwabach untersuchte, setzte er sich in seiner Masterarbeit mit der Wirkung von Architektur auf den gelebten Raum zentraler Plätze auseinander. In einem weiteren Master an der Hochschule für Technik erwarb er in Stadtplanung seinen Master of Engineering. Seit 2016 arbeitet Fabian Gierl bei Drees & Sommer an Projekten rund um die Themen Mobilität, nachhaltige Quartiere und Städtebau. Neben Kunden aus der öffentlichen Hand berät er als Leading Consultant Entwickler und Unternehmen auf strategischer Ebene von der Analyse bis zur Umsetzung.

Markus Schmidt, Bereichsleiter Mobilitätsberatung bei Dreso und Studiendekan an der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT)

„Die Mobilitäts- und Verkehrswende ist neben der Energiewende eine der wichtigsten Aufgaben der heutigen Zeit zur Begrenzung des Klimawandels. Daran mitzuwirken ist mein berufliches Ziel.“

Markus Schmidt studierte Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen, der TU Berlin, in London und in Paris. Seit 2002 ist er in verschiedenen Funktionen für Drees & Sommer tätig. Derzeit leitet er den Bereich der Mobilitätsberatung standortübergreifend. Markus Schmidt lehrt seit 2009 an der Hochschule für Technik Stuttgart und ist Studiendekan des Studiengangs Infrastrukturmanagement.


Das Interview führten Alexandra Bading (Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH) und Markus Heffner (Journalist und Redaktionsbüro) im September 2023.