
Sonja Haas-Andreas treibt am Stuttgarter Flughafen seit fünf Jahren das Thema nachhaltige Mobilität voran und setzt dabei insbesondere auf einen „mobilen Mix, der alle flexibel zum Stuttgart Airport bringt“, wie die Stabsstellenleiterin im Interview betont: „Unser Fokus ist es, umweltverträglichere Alternativen stärker im Bewusstsein der Mitarbeitenden und der Fluggäste zu verankern.“
Frau Haas-Andreas, der Stuttgarter Flughafen mit seinem ganzen Umfeld erscheint wie eine Art überdimensioniertes Wimmelbild zum Thema Verkehr – es ist jeden Tag jede Menge los. Diese Vielfalt macht die Arbeit einer Mobilitätsmanagerin vermutlich nicht gerade einfach. Wen will die Stabsstelle Nachhaltiges Mobilitätsmanagement mit ihrer Arbeit erreichen?
Sonja Haas-Andreas: Unser Flughafenbetrieb bringt in der Tat ganz unterschiedliche Arten von Verkehr und Mobilität mit sich, da haben Sie recht. Allein die Flughafengesellschaft hat rund 1.200 Mitarbeitende, mit den Tochtergesellschaften sind es etwa 2.300. Dazu kommen beispielsweise noch die Vielzahl an Retail-Shops, die Landesmesse, die Luftfracht, die Logistikunternehmen im Umfeld und die ganzen Büro- und Handelsflächen, die teilweise an verschiedene Unternehmen vermietet sind. Unter dem Strich sind am Airport-Campus rund 10.000 Mitarbeitende beschäftigt, das ist schon eine beeindruckende Zahl. Und dazu kommen natürlich noch unsere Fluggäste.
Und all diese Menschen wollen Sie mit Ihren Angeboten erreichen und zum Umdenken bewegen?
Sonja Haas-Andreas: Wir haben mit unserer Arbeit zunächst einmal den Flughafen und seine Tochtergesellschaften im Blick. Diese sehr heterogene Arbeitswelt mit ihren verschiedenen Schichtdiensten und Arbeitszeitmodellen bringt bereits einige Anforderungen mit sich, die bei neuen Ansätzen und Ideen berücksichtigt werden müssen. Wir haben aber durchaus den Anspruch, uns in alle Richtungen auszutauschen und entsprechend zielgruppenorientiert zu kommunizieren. Dazu kommt, dass wir nicht nur hier am Campus wirken wollen, sondern auch die verschiedenen Anrainerkommunen einbinden, von Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen über Ostfildern und Neuhausen bis Deizisau und Altbach. Die Kommunen sind ja beispielsweise für die Angebote im Busverkehr verantwortlich und auch beim Thema Radwege und in anderen Mobilitätsfragen stehen wir in engem Kontakt. Für einen solchen Austausch in alle Richtungen braucht es gute Netzwerke, die ständig wachsen – man sollte also durchaus kontaktfreudig sein bei diesem Job.
Welche Eigenschaften oder Qualifikationen sollte man aus ihrer Sicht noch mitbringen, wenn man erfolgreich das Thema nachhaltiges Mobilitätsmanagement vorantreiben will?
Sonja Haas-Andreas: Die Stabsstelle Nachhaltiges Mobilitätsmanagement wurde im Jahr 2020 mit dem Auftrag zur weiteren Verstetigung sowohl der Betrieblichen Mobilität als auch der Nachhaltigen Mobilität gegründet und ist zwischenzeitlich auf 4 Mitarbeitende angewachsen. Die Kolleginnen kommen aus unterschiedlichen Mobilitätsbereichen. Ihre vielfältige Expertise ist sehr wichtig bei diesem komplexen Arbeitsfeld, das zudem sehr dynamisch und innovationsgetrieben ist und darüber hinaus viel Kreativität verlangt. Also kurz gesagt: Man sollte möglichst flexibel auf Themen reagieren können und bereit sein, neue und vielleicht auch vermeintlich unbequeme Wege auszuprobieren, wenn man etwas erreichen möchte.
Und was genau wollen Sie als Stabsstelle erreichen?
Sonja Haas-Andreas:
Der Flughafen Stuttgart hat den Umweltschutz als strategisches Unternehmensziel verankert. Wir gestalten verantwortungsvoll den Flughafen der Zukunft. In der nachhaltigen Mobilität leiten wir daraus den direkten Auftrag ab, umweltverträgliche Mobilitätsalternativen breiter zu verankern und zu verstetigen, um damit den Mobilitätswandel nachhaltiger zu gestalten sowie den CO₂-Fußabdruck des Flughafens zu minimieren. Das bedeutet, dass die verschiedenen Verkehrsträger wie Flugzeug, Auto, Bahn, Bus und Fahrrad betrachtet und bestmöglich multimodal miteinander vernetzt werden müssen. Wir können natürlich niemanden zu etwas zwingen, aber Anreize bieten und passgenaue, multimodale Angebote machen. Im Fokus unserer Arbeit steht, die Nutzung umweltgerechter Verkehrsangebote für die An- und Abreise zu steigern, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und gleichzeitig die Zufriedenheit der Beschäftigten und Passagiere zu steigern.
Klingt ambitioniert.
Sonja Haas-Andreas: Es braucht ambitionierte Ziele, um voranzukommen. Mobil sein und mobil bleiben ist ein globales Bedürfnis, wobei sich die Mobilitätskultur zunehmend verändert. Unsere Mitarbeitenden und auch die Fluggäste wollen verstärkt die unterschiedlichen Mobilitätsoptionen wahrnehmen, je nach persönlicher Situation, bzw. in Abhängigkeit von Faktoren wie Wetter und Jahreszeit oder der gesamten Tagesplanung. Flexibilität und Individualität spielen eine immer größere Rolle und unsere Aufgabe ist es, die verschiedenen Möglichkeiten sinnvoll zu vernetzen und aufzuzeigen, wie sie sich im jeweiligen Mobilitätsalltag umsetzen lassen.
Der Stuttgarter Flughafen ist ja grundsätzlich gut angebunden – welche Optionen gibt es denn für eine nachhaltige Anreise?
Sonja Haas-Andreas: Der Stuttgarter Flughafen ist nicht nur gut, sondern bestens angebunden. Er ist mit der S-Bahn und mit der Stadtbahn erreichbar, der Terminal wird von regionalen, nationalen und internationalen Bussen angefahren. Wir haben Car-Sharing-Angebote, eine gute Radinfrastruktur und dazu ein umfangreiches Netz an Ladestationen für E-Fahrzeuge mit rund 400 Ladepunkten. Geplant ist zudem ein smartes Parkhaus, in dem induktives Laden möglich sein wird. Und künftig wird es auch noch einen Fernbahnhof geben, an dem Züge aller Art halten werden. Viele Flughäfen haben nur eine einzige Anreisemöglichkeit, wir haben hier eine ganze Vielzahl an Möglichkeiten und es wird praktisch die komplette Palette an Mobilität abgebildet. Diese Verkehrsdrehscheibe sucht ihresgleichen: der Flughafen ist von seinem Selbstverständnis ein Gate für Pendelnde und Fluggäste, das eine smarte Mobilität ermöglicht. Um das zu befördern, stehen in den Ankunftsbereichen digitale Infostelen, auf denen in Echtzeit alle Verbindungen und Arten von Mobilität angezeigt werden, die man gerade nutzen kann. So eine übersichtliche Darstellung der Multimodalität ist unabdingbar und genau das, was wir mit unserer Arbeit in der Stabsstelle erreichen wollen. Man muss auf einen Blick erfassen können, welche Optionen es gibt!
Sie haben die Stabsstelle in den vergangenen fünf Jahren aufgebaut – wie sind Sie dabei vorgegangen?
Sonja Haas-Andreas: Am Anfang gab es hier kaum Datenmaterial, um ein qualitätsvolles Mobilitätsmanagement aufzubauen – eine Art Standortbestimmung war daher der erste Schritt. Sehr hilfreich war dabei der Kontakt zu Institutionen wie dem Verkehrsministerium, der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart oder der IHK, die verschiedene Förderprogramme betreiben und auf verschiedenen Wegen mit ihrem umfangreichen Wissen unterstützen. Gleichzeitig habe ich eine Ausbildung zur zertifizierten Mobilitätsmanagerin gemacht. Das Thema Mobilität begleitet mich beruflich zwar schon sehr lange, ich wollte mich dennoch auf den neuesten Stand der Erkenntnisse über neue Mobilitätsfelder, Benefits und vorteilhafte Herangehensweisen bringen. Mittels einer Wohnort-Standort-Analyse, also einer Erhebung unter den Beschäftigten, haben wir erfahren, dass die Mitarbeitenden im Schnitt im Umkreis von rund 23 Kilometern wohnen und mit welchem Verkehrsmittel sie an den Arbeitsplatz anreisen. Auf Basis dieser Daten haben wir Handlungsfelder identifiziert und führten nach und nach Angebote für Mitarbeitende, wie zum Beispiel Fahrradleasing, Zuschuss zum Deutschlandticket, Mitfahrplattform etc. ein. Im Jahr 2023 folgte unter anderem eine Mobilitätsbefragung, in der wir die Wünsche und Vorstellungen der Beschäftigten abgefragt haben und ihre Zufriedenheit mit den bereits eingeführten Maßnahmen. Dabei ging es insbesondere darum, das Optimierungspotenzial zu erheben. Dieses Vorgehen hat sich sehr bewährt. In diesem Jahr wollen wir die Befragung daher mit anderen Schwerpunkten wiederholen.
Welche Maßnahmen wurden bis dato eingeführt?
Sonja Haas-Andreas: Das Jobrad habe ich ja bereits erwähnt, die Nachfrage nach diesem Angebot zieht gerade in diesem Jahr bis dato stark an. Außerdem haben wir elektrische Diensträder und Lastenräder als Poolfahrzeuge eingeführt, unter anderem auch für das Vorfeld. Wir haben die Radinfrastruktur ausgebaut, inzwischen gibt es rund 120 Abstellanlagen am Campus sowie Radgaragen für Beschäftigte, Duschräume und Trockenräume. Und wir sind dabei, weitere Radgaragen zu bauen, etwa für die Flughafenfeuerwehr. Wir wollen uns in diesem Jahr auch als fahrradfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren lassen. Natürlich bezuschusst der Flughafen auch das Deutschlandticket und wer als Beschäftigter temporär auf einen Parkplatz verzichtet, bekommt das Ticket für den ÖPNV sogar umsonst. Wir veranstalten regelmäßig Mobilitätstage, Wettbewerbe zum Thema und andere Aktionen. Und wir sind einer der Gründungsmitglieder der Mitfahrplattform „Stuttgart fährt mit“, dessen Pilotphase Ende letzten Jahres abgeschlossen wurde. Das Folgeprojekt ist bereits angelaufen und die Nutzungszahlen entwickeln sich vielversprechend. Ziel dabei ist, dass über die App nicht nur gemeinsame Autofahrten organisiert werden können, sondern auch andere Arten der Mobilität angeboten werden, also eine Vernetzung möglich wird. Je mehr Firmen daran teilnehmen, desto attraktiver wird das Angebot.
Wo gibt es denn das größte Potenzial an CO₂-Einsparung – also in welchem Bereich fällt der meiste Verkehr an?
Sonja Haas-Andreas: Am Flughafen unterscheiden wir ja zwischen der Landseite und der so genannten Luftseite, also dem ganzen Bereich hinter der Sicherheitskontrolle. Etwa ein Drittel der gesamten Emissionen werden dabei vom landseitigen Verkehr verursacht, also durch die Mobilität der Mitarbeitenden, der Fluggäste und Zulieferer. Hier haben wir daher einen effektiven Hebel, um die Bilanz durch gezielte Angebote und Maßnahmen, wie die Förderung des ÖPNV, den Ausbau des Radverkehrs, die Förderung von Fahrgemeinschaften und der Elektromobilität zu verbessern. Auf dem Vorfeld haben wir schon eine hundertprozentige Umstellung auf E-Mobilität erreicht, hier sind alle Fahrzeuge elektrifiziert – von den Bussen für den Transport der Fluggäste bis zu den großen Schleppern. Und auch ansonsten ist der Flughafen im Bereich Nachhaltigkeit sehr gut aufgestellt. Der Airport Stuttgart verfolgt die Klimastrategie STRzero und will bis zum Jahr 2040 netto-treibhausgasneutral sein. Das nachhaltige Mobilitätsmanagement ist dabei ein ganz zentraler Baustein, um diese Klimaziele zu erreichen – insbesondere durch die Reduzierung der verkehrsbedingten Emissionen und der Einbindung aller relevanten Akteure.
Apropos innerbetriebliche Mobilität: Wie kommen Sie selber zur Arbeit?
Sonja Haas-Andreas: Intermodal natürlich! Einerseits habe ich ein Hybridfahrzeug, das ich für den Weg zur Arbeit nutze. Mitunter fahre ich aber auch von meinem Wohnort in Gerlingen mit dem E-Bike durch den Wald hoch zur Schillerhöhe, steige dort in den RELEX-Bus und komme ziemlich relaxed hier am Busterminal an. Abends fahre ich dann ganz genüsslich die 25 bis 30 Kilometer mit dem Rad nach Hause, wobei ich den elektrischen Antrieb nur bei den Steigungen nutze. So ist Intermodalität ja gedacht: Verschiedene Mobilitätsformen je nach Bedarf und Bedürfnis für sich zu nutzen! Und das ist übrigens ein Aspekt, der bei den jungen Fachkräften immer wichtiger wird. In diesem Sinne ist das betriebliche Mobilitätsmanagement auch ein Beitrag zur Arbeitgeberattraktivität und damit ein bedeutsamer Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und die Standortwahl von Unternehmen. Denn: Wer etwa Jobtickets, Fahrrad-Leasing, eine Mitfahrplattform, Homeoffice-Optionen oder Ladeinfrastruktur für E-Mobilität anbietet, spricht gezielt die Bedürfnisse der heutigen Arbeitswelt an – und leistet dabei einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz.
Hört sich gut an, es geht in diesem Bereich aber immer auch noch besser: Was planen Sie für die Zukunft?
Sonja Haas-Andreas: Viele Mitarbeitende im Schichtdienst, die morgens um 4 Uhr und teilweise noch früher beginnen, wünschen sich eine frühere Anbindung durch den ÖPNV. Wegen der vielen aufeinander abzustimmenden Anschlüsse von Bus und Bahn ist das aber schwierig umzusetzen. Es würde ja nicht reichen, im System dann nur eine einzelne S-Bahn früher fahren zu lassen. Ein Schlüssel zum Erfolg sind sicher die Netzwerke, die gepflegt und kontinuierlich weiter ausgebaut werden müssen – eine kommunikative Herkulesaufgabe, die sich aber lohnt. Denn Mobilität muss ganzheitlich gedacht werden. Etabliert hat sich auch ein neuer „Onboarding-Prozess“, wie wir sagen. Neue Mitarbeitende bekommen dabei die ganze Palette an Mobilitätsmöglichkeiten vorgestellt und es gibt auch Mobilitätspaten, die den Kolleginnen und Kollegen zeigen, wie man hier am besten mit dem Rad durchkommt. Und wir sind aktuell dabei, uns über das Thema „Mobilitätsbudget“ Gedanken zu machen, wobei eine Erleichterung der steuerrechtlichen Aspekte einen großen Hebel bewirken könnte. Neue Vorhaben beginnen oft mit Überzeugungsarbeit, bei allem gilt aber: Jeder kleine Schritt, der erreicht wird, kann einen großen Fortschritt bedeuten!
Zur PERSON

Sonja Haas-Andreas leitet seit dem Jahr 2020 die Stabstelle Nachhaltiges Mobilitätsmanagement bei der Flughafen Stuttgart GmbH:
Seit vielen Jahren besitze ich die Affinität zu nachhaltigen Mobilitätsthemen und konnte diese in unterschiedlichen Funktionen auf Landesebene ausbauen. Meine intrinsische Motivation und der Wunsch, gemeinsam mit meinem leistungsstarken Team, einen kleinen Beitrag zur Veränderung der Mobilitätskultur zu leisten, lassen mich jeden Tag aufs Neue begeistert an den Airport kommen. Tatkräftig unterstützt durch meinen Arbeitgeber Stuttgart Airport „drehen“ wir gemeinsam kommunikativ und innovativ sowie gut vernetzt, schwungvoll und mit Engagement an der Mobilitätsdrehscheibe.
Das Interview führte das Redaktionsteam der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) im Mai 2025.