Robert Bosch GmbH: Der CityLink hat sich bewährt

Der Autozulieferer Bosch testet am Forschungscampus Renningen seit knapp einem Jahr ein neues Mobilitätsangebot: Eine Art Werkbus, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stuttgarter Innenstadt abholt und auf direktem Weg zum Standort bringt. Von den Beschäftigten wird der „CityLink“ seither rege genutzt, weshalb die Pilotphase nun bis April 2020 verlängert wurde. Im Doppelinterview erklären Andrea Lanno und Dr. Jürgen Groß, wie die Idee entstanden ist, wo die Vorteile liegen und wie es weitergehen wird.

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Bosch CityLink

Bosch testet an seinem Forschungscampus in Renningen seit knapp einem Jahr ein neues Mobilitätsangebot: Eine Busverbindung, mit der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf direktem Weg von der Stuttgarter Innenstadt zum Standort kommen. Von den Beschäftigten wird der „CityLink“ seither rege genutzt, weshalb die Pilotphase nun bis April 2020 verlängert wurde. Im Doppelinterview erklären Andrea Lanno, Projektleiterin und Dr. Jürgen Groß, Standortleiter, wie die Idee entstanden ist, wo die Vorteile liegen und wie es weitergehen wird.

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DAS INTERVIEW

Herr Groß, was hat für mehr Aufmerksamkeit gesorgt: Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Forschungscampus zur Eröffnung im Jahr 2015 oder der erste CityLink, der vor knapp einem Jahr erstmals Beschäftigte direkt vor die Tür gebracht hat?

Dr. Jürgen Groß: Das sind sicherlich zwei denkwürdige Ereignisse in der Geschichte unseres Standorts, die jedes für sich von großer Bedeutung sind und daher auch viel Beachtung erfahren haben. Der Besuch der Bundeskanzlerin, der uns sehr geehrt hat, ist in seiner Wirkung und Wahrnehmung natürlich kaum zu übertreffen. So gesehen schlägt sich unser CityLink, den inzwischen sehr viele Menschen kennen, bemerkenswert gut.

Wie ist die Idee zu diesem Angebot entstanden?

Dr. Jürgen Groß: Dazu muss man zunächst die Geschichte des Standorts erklären. Der Forschungscampus in Renningen ist in vielerlei Hinsicht ein Quantensprung für uns, unter anderem auch deshalb, weil hier das Potenzial und die Mitarbeiter von zuvor drei Standorten im Großraum Stuttgart zusammengeführt wurden – nämlich aus Schwieberdingen, von der Schillerhöhe in Gerlingen und aus Waiblingen. Ins Grübeln sind wir in unserer Begeisterung erstmals ein Jahr nach der Eröffnung gekommen, als uns ein Zukunftsforscher bei einem Vortrag erklärt hat, dass sich ein solcher Standort auf der grünen Wiese nur bedingt mit dem Lebensgefühl einer jungen und urbanen Generation verträgt. Das hat uns deshalb beschäftigt, weil wir hier ja gerade junge Menschen mit hoher Affinität zu Themen wie Robotik, Künstliche Intelligenz und anderen digitalen Innovationen brauchen.

Andrea Lanno: Unsere Herausforderung ist es, junge, qualifizierte Mitarbeiter für diese Forschungsbereiche zu finden. Dabei stehen wir in starker Konkurrenz zu Unternehmen wie Apple und Google. Die Frage war also, wie wir junge Menschen für diesen Standort interessieren können, denen Berlin gerade groß genug und Stuttgart schon nicht urban genug ist. Besonders vor dem Hintergrund, dass junge Menschen oft gar kein eigenes Auto mehr haben. Wir haben daher einen Workshop zum Thema betriebliches Mobilitätsmanagement mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Fachabteilungen zu diesem Thema veranstaltet und in alle Richtungen gedacht. Die direkte Busverbindung war dabei eine der ersten Ideen. Daraus haben wir – ein Team aus vier Personen, aus verschiedenen Abteilungen – ein Konzept entwickelt und im Oktober 2018 mit der Testphase begonnen, also pünktlich zu Beginn der Feinstaubsaison in der Landeshauptstadt.

Wie viele Beschäftigte arbeiten hier am Standort?

Andrea Lanno: Mittlerweile sind es 1900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 60 Nationen, die ihren Arbeitsplatz auf dem Bosch Campus haben. Darunter unter anderem viele junge Wissenschaftler, die genauso gut im Silicon Valley arbeiten könnten. Genau diese Leute gilt es mithilfe solcher Angebote zu adressieren.

Dr. Jürgen Groß: Wir haben dabei durchaus lange mit uns gerungen, ob wir uns ein solches Angebot leisten können und wollen. Immerhin geht es dabei um einen signifikanten Betrag. Wir haben uns letztlich aber nach intensiver Diskussion aus Überzeugung und der Einsicht entschieden, dass wir mit einem Angebot wie dem CityLink, als Ergänzung unserer vielfältigen Angebote im Bereich Mobilitätsmanagement, die Attraktivität unseres Standorts erhöhen können.

Macht Bosch damit nun dem öffentlichen Nahverkehr Konkurrenz?

Dr. Jürgen Groß: Ganz und gar nicht. Uns wäre es viel lieber, wenn es ein entsprechendes Nahverkehrsangebot geben würde. Aber viele unserer Mitarbeiter müssten je nach Wohnort zweimal oder öfter umsteigen, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln an den Campus zu kommen. Das ist einfach nicht attraktiv. Da hilft uns zwar, dass wir die Taktung des öffentlichen Bustransfers vom Renninger Bahnhof zum Campus erhöht haben, ein Ersatz für die direkte Busverbindung von Stuttgart, welche der CityLink bietet, ist das jedoch nicht.

Wie läuft der Betrieb konkret, also wo und zu welchen Zeiten werden die Mitarbeiter abgeholt?

Andrea Lanno: Die zentrale Haltestelle ist der Rotebühlplatz im Zentrum der Stuttgarter Innenstadt. Zusätzlich macht der Bus noch einen kurzen Stopp an der Haltestelle Schwabstraße. Von dort geht es dann direkt zum Forschungscampus Renningen. Das hat auch den Vorteil, dass der Busfahrer die Route frei wählen und gegebenenfalls Staus umfahren kann. Morgens fährt der Bus zu vier verschiedenen Zeiten, am Nachmittag sind es zwischenzeitlich fünf Fahrten zurück nach Stuttgart. Die Nachfrage in diesem Zeitraum war einfach so groß, dass wir aufstocken mussten. Wir können ja unsere Mitarbeiter nicht zum Umstieg vom Auto auf den Bus motivieren und sie dann an der Haltestelle zurücklassen, weil der Bus voll ist.

Warum gerade Stuttgart? Es gibt ja noch mehr Ballungszentren in der Umgebung.

Andrea Lanno: Wir haben im Vorfeld natürlich eine Analyse durchgeführt, woher die Beschäftigten kommen. Dabei hat sich herausgestellt, dass die meisten aus dem Stuttgarter Westen oder Süden kommen. Aber das Angebot ist auch für Menschen mit anderem Wohnort attraktiv und sinnvoll. Wer beispielsweise in Waiblingen oder im Remstal wohnt, muss ohnehin über Stuttgart fahren und kann nun hier in den Bus steigen.

Wie viele Beschäftigte nutzen den CityLink bisher?

Andrea Lanno: Wir waren regelrecht überrascht, wie gut das Angebot angenommen wurde und wie voll die Busse sind. Zu den mittleren Abfahrtzeiten sind wir bereits an der Kapazitätsgrenze, die frühen oder ganz späten Fahrten sind immerhin zu über 50 Prozent ausgelastet. Zwischenzeitlich haben wir auch die Marke von 60.000 Fahrten erreicht, die der Shuttleverkehr an kumulierten Mitarbeiterfahrten eingespart hat, das sind zusammen mehr als 1,8 Millionen eingesparte Pkw-Kilometer, im Vergleich mit der Alleinfahrt im Privatauto.

Dr. Jürgen Groß: Ein attraktives Mobilitätsangebot für die Mitarbeiter am Campus Renningen ist uns sehr wichtig und wir freuen uns, dass das Angebot so gut angenommen wird. Mit dem CityLink tragen wir dazu bei, den Individualverkehr im Großraum Stuttgart zu bündeln, sowie den CO2-Ausstoß und die Luftbelastung zu verringern. Zudem hat Bosch ja beschlossen, ab dem Jahr 2020 komplett klimaneutral zu sein, also als Unternehmen keinen CO2-Fußabdruck mehr zu hinterlassen.

Wie ist die Resonanz bei den Beschäftigten, die das Angebot nutzen – und jenen, die am falschen Ort wohnen und das nicht können?

Andrea Lanno: Wir haben durchweg positive Rückmeldungen, die Resonanz ist wirklich super. Manche überlegen bereits, ob sie überhaupt noch einen Zweitwagen brauchen. Das ist ein tolles Signal. Wer will, kann im Bus bereits seine Arbeitszeit beginnen, zum Beispiel seine E-Mails lesen. Die Busse sind mit WLAN und Konferenztischen ausgestattet, auch dieses Angebot wird stark genutzt. Andere lesen lieber noch in der Zeitung oder ein Buch. Und es sind viele neue Kontakte entstanden bei den gemeinsamen Fahrten. Die Beschäftigten sind wirklich sehr glücklich damit.

Dr. Jürgen Groß: Gerade wegen der vielen Benefits, die mit dem CityLink verbunden sind, müssen wir aber darauf achten, andere Mitarbeiter nicht zu benachteiligen. Wir haben hier am Standort auch Beschäftigte, die beispielsweise in Karlsruhe oder anderswo wohnen. In der momentanen Testphase ist das Angebot noch kostenlos, der geldwerte Vorteil wird von der Firma versteuert. Für den späteren Betrieb prüfen wir im Sinne der Gleichbehandlung eine maßvolle Beteiligung der Beschäftigten, die das Angebot nutzen wollen.

Das bedeutet aber, dass nach Abschluss der Testphase ein dauerhafter Betrieb geplant ist?

Andrea Lanno: Wir haben die Pilotphase wegen der hohen Nachfrage nun nochmal bis April 2020 verlängert. Das gibt uns Zeit, die Ergebnisse weiter auszuwerten und die nächsten Schritte zu planen – auch im Vergleich mit anderen Bosch-Standorten in der Region. Renningen war mit dem CityLink der Vorreiter, gefolgt von Schwieberdingen. Ab 2020 starten Reutlingen und Abstatt ähnliche Angebote. Dazu tauschen wir regelmäßig Erfahrungen und Erkenntnisse mit den Kolleginnen und Kollegen aus. Wie das Angebot in Renningen zukünftig im Detail ausgestaltet sein wird, steht derzeit noch nicht fest. Klar ist aber, dass wir alles daran setzen werden, dass es weitergehen wird.

Dr. Jürgen Groß: Wir sind da ein wenig in der Zwickmühle. Eigentlich ist es ja die Aufgabe des öffentlichen Nahverkehrs, solche Angebote zu machen. Ich finde, dass es an der Zeit wäre, über neue Rahmenbedingungen und Formate im Nahverkehr nachzudenken, in Kooperation mit Unternehmen beispielsweise, die sich über eine Beteiligungsfinanzierung einbringen. Dazu wären wir gerne bereit. Da es diese Option noch nicht gibt, setzen wir zunächst weiterhin auf interne Angebote wie den CityLink.

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CityLink am Standort Renningen / Foto: Bosch

HINTERGRUND: BETRIEBLICHES MOBILITÄTSMANAGEMENT BEI BOSCH

Die Robert Bosch GmbH, der weltweit größte Autozulieferer, ist an seinen einzelnen Standorten auf unterschiedliche Weise im Bereich betriebliches Mobilitätsmanagement aktiv. Unter dem Namen „Go for mobility“ führt das Unternehmen in diesem Jahr unter anderem seine Mitarbeiter-Mobilitätskampagne fort und ermöglicht seinen Beschäftigten in Stuttgart die kostenfreie Nutzung von Bus und Bahn an Tagen mit Feinstaubalarm. Diese und viele weitere Maßnahmen sollen der Belegschaft den Umstieg auf alternative Verkehrsmittel ermöglichen.

„Wir wollen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihr persönliches Mobilitätsverhalten sensibilisieren und das Umweltbewusstsein stärken“, sagt Tony Pleschinger, einer der zuständigen Mobilitätsmanager des internationalen Technologie- und Dienstleistungsunternehmens für die Standorte im Großraum Stuttgart. Wenn Verkehr erst gar nicht entsteht, kann er nicht ins Stocken geraten. Das ist der Grundsatz, mit dem Bosch sein betriebliches Mobilitätsmanagement betreibt. Allein im Großraum Stuttgart legen 50 000 Mitarbeiter täglich mehr als 1,5 Millionen Kilometer zurück – und das ist nur ein Achtel aller Bosch-Mitarbeiter weltweit. „Hier ist ein Umdenken notwendig“, so Pleschinger: „Wir brauchen innovative Ideen, damit der Verkehr entlastet und die Luftqualität verbessert wird. Eine Lösung dafür sind Shuttle-Busse. Damit werden viele Fahrten vieler Mitarbeiter zu einer einzigen gebündelt.“

Bosch stellt diese „Werkbusse“ an verschiedenen Standorten weltweit bereit, etwa in Istanbul oder Shanghai – und natürlich auch in Stuttgart. So sind beispielsweise die Werke Schwieberdingen und Feuerbach über einen Bustransfer vernetzt. Der CityLink bedient den Forschungscampus in Renningen. Dank WLAN können die Busse auch für mobiles Arbeiten genutzt werden. Anfang 2020 ist eine Ausweitung des Konzepts mit ähnlichen Angeboten für die Standorte Abstatt und Reutlingen geplant.

Ein weiterer wichtiger Baustein von „Go for mobility“ ist das von Bosch angebotene Leasing von Dienstfahrrädern. Über 12.000 Beschäftigte haben sich deutschlandweit innerhalb von 1,5 Jahren bereits für ein Fahrrad oder Pedelec als Dienstrad entschieden. Fahrradabstellplätze sowie Umkleiden und Duschen sind an Bosch-Standorten deutschlandweit verfügbar oder wurden im Zuge dieses Angebots ausgebaut.

Das Unternehmen ist außerdem Mitglied im „Bündnis für Luftreinhaltung“ und hat sich gemeinsam mit vielen großen Arbeitgebern der Regionen zu Maßnahmen der Luftreinhaltung verpflichtet. Ein wesentliches Element ist das betriebliche Mobilitätsmanagement.

Weitere Informationen zum betrieblichen Mobilitätsmanagement bei Bosch finden Sie im Bosch Presseportal.

ZUR PERSON

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Dr. Jürgen Groß ist promovierter Physiker und seit 22 Jahren bei der Robert Bosch GmbH. Seit Anfang 2019 ist er in der Geschäftsleitung der Konzernforschung und Standortverantwortlicher am Forschungscampus Renningen –  als solcher auch für Themen wie Facility Management und betriebliche Mobilität zuständig. Zuvor war er in verschiedenen Führungsaufgaben in der Forschung und diversen Geschäftsbereichen der Bosch Automobiltechnik tätig.

Andrea Lanno ist in der Personalabteilung am Forschungscampus Projektleiterin und Mobilitätsmanagerin und begleitet das Projekt CityLink seit Beginn an. Ihr Einstieg bei der Robert Bosch GmbH war im Controlling. Nach diversen Stationen, unter anderen als Gruppenleiterin, wechselte sie nach der Elternzeit in die Personalabteilung und koordinierte den Umzug der zentralen Forschung und Vorausentwicklung. Ende 2014 zog sie mit zum Forschungscampus.

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Tony Pleschinger, Foto: Bosch

Tony Pleschinger ist im Bereich Powertrain Solutions zuständig für Air Quality & Mobility. Als Mobilitätsmanager kümmert er sich im Zentralteam für den Großraum Stuttgart und am Standort-Team Feuerbach um das betriebliche Mobilitätsmanagement.